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Parmesan? Unbedingt! … oder sind wir beim Essen alle Italiener?

Parmesan und die Übertragung von Kultur

Die Überschrift enthält ein Zitat, welches ich aus der Erinnerung einer Aussage von Alfred Biolek aus seiner Kochsendung zuschreibe. Ich habe mir die Sendung manchmal angeschaut und an einigen Stellen darüber gestaunt, dass der Autor von Bestsellerkochbüchern an manchen Stellen doch relativ wenig Ahnung von den verwendeten Zutaten hatte. In der Sendung wurden Nudeln und eine Soße gekocht. Abgesehen vom seligen immer meinungsstarken Wolfram Siebeck kenne ich kaum Menschen, die nicht gerne Nudeln essen.

Für den Einsatz von Parmesankäse gibt es in Italien klare Regeln

 

Italiener ohne Parmesan – undenkbar!

Gut aber der Beitrag soll nicht in Nudelphilosophie abdriften, es geht um Parmesan! Bei uns gehört zu Nudeln auch Parmesankäse. Das kennen wir aus Italien. Dort steht geriebener Parmesan auch heute noch fast immer auf dem Restauranttisch. Italiener ohne Parmesan scheint kaum denkbar. So war ich in den 1980er Jahren auf einer Summerschool in England. Die Teilnehmenden wohnten im Studentenwohnheim. Man wurde mehr oder weniger zufällig auf ein Stockwerk in den dortigen Hochhäusern verteilt. Jede Etage verfügte über eine Küche, die sich die Bewohner teilten. Es ähnelte einer großen Wohngemeinschaft. Ich hatte das Glück, dass auch einige Italiener da waren. Die kochten nicht nur die beste Tomatensoße (das ist aber eine andere Geschichte), sie hatten auch einen Vorrat an Parmesan dabei – beeindruckend große Stücke. Die Lehrgänge zogen sich über sechs Wochen hin und der Parmesan wurde schon bald knapp. Da fügte es sich, dass die Italiener zwischendurch Besuch aus ihrer Heimat bekamen. Der Besuch hatte natürlich auch eine Gabe dabei: neue große Stücke des harten Käses.

Bewunderung für Italiener

Die wenigen Deutschen bewunderten damals die Italiener wegen ihrer klaren Haltung hinsichtlich des Essens und der Art und Weise wie dieses zuzubereiten sei. Wir freundeten uns an und aßen meistens mit. Jedenfalls wurde mir die Bedeutung von Parmesan vor Augen geführt. Und zu Hause darf seitdem Parmesan zu Nudeln nicht mehr fehlen. Wir haben also einen Teil der Kultur übernommen; wir haben etwas gelernt und uns daran orientiert. In der Küche sind wir also Italiener geworden. Wirklich? Ist das so einfach?

Bruch bei Kulturübernahme

Natürlich nicht! Parmesan gehört zwar zum ständigen Inventar unseres Kühlschrankes. Da Nudelgerichte in der Regel schnell zu kochen sind, werden sie auch unter der Woche häufig zubereitet. Dennoch sind wir Banausen im Sinne der italienischen Ansicht. Parmesan landet nämlich bei uns auf fast allen Nudelgerichten, auch solchen mit Fisch, einer Todsünde für Italiener. https://www.sueddeutsche.de/reise/tischsitten-weltweit-fuer-mich-bitte-das-fettnaepfchen-1.2249473-6

Parmesan zu Fisch? In der italienischen Küche undenkbar

Eine kurze Recherche über die Googlesuchmaschine offenbart: Zahlreiche Fischgerichte werden mit Parmesan kombiniert. Da gibt es Fisch in einer Panade mit Parmesan und auch Meeresfrüchte kommen mit Parmesan laut Rezept in Kontakt. Das sind aber alles deutsche Gerichte, teilweise von Gourmetzeitschriften veröffentlicht.

Schaufenster eines Käsegeschäftes in Padua

Neue Rezepte nur außerhalb von Italien möglich

Alles Kardinalfehler in den Augen der italienischen Betrachter: In Italien wäre das unmöglich. Aber in Deutschland? Ja da geht das! Wir sind hier nicht an die italienische Tradition gebunden. Wir werden nicht von unseren Freunden verstoßen, wenn wir die Zutat neu kombinieren. Was wir tun, ist nichts anderes als das in unseren Augen italienische in unsere eigene Kultur zu integrieren. Hier kennen wir das Tabu nicht im selben Maße. Von meinen Eltern habe ich zwar einmal gehört, dass Fisch und Milch nicht zusammen passen würden, allerdings gibt es viele Gerichte, in denen Fisch und Meeresfrüchte mit Sahne kombiniert werden.

Innovation durch Kulturbruch

Mit der Integration der Nudel-Parmesankultur in unsere eigene, entstehen somit neue Freiheiten. Viele Italiener finden das abscheulich, für sie ist es ein Verstoß gegen ihre Kultur. Für uns aber ist es eine Bereicherung. Wir können innovativ sein und sind nicht an die kulturellen Tabus der Italiener gebunden. Wir sind dadurch in der Lage etwas Neues zu erfinden.  Eine Weiterentwicklung unserer Kultur dadurch, dass wir etwas integrieren, was vor einigen Jahrzehnten noch ziemlich unbekannt war. Die Aufnahme von Parmesan in unsere Kultur ist eine Verbeugung vor der guten italienischen Küche. Beim Kontakt jedoch mit der Zutat gelten für uns andere Regeln. Unsere Traditionen stehen nicht einer neuen Kombination im Weg. Wir sind dadurch in der Lage mit dem Hartkäse Neues zu kreieren. Natürlich geht dabei auch manches schief, aber anderes gelingt auch. Aus meiner Sicht handelt es sich um ein schönes Beispiel für die Möglichkeit der Innovation durch Übertragung von Informationen. Die Tatsache, dass die meisten von uns beobachten und nur in Bruchstücken etwas über die andere Kultur wissen, kommt uns dabei zugute. So funktionieren Erfindungen nun mal und kulturelle Traditionen stehen dem regelmäßig im Weg.