Hintergründe Käse Kühe Südtirol

Kuh und Käse oder Weltwirtschaft versus lokaler Kreislauf im Vinschgau (Teil 1)

Gras und Heu für die Kühe

Bei meiner Einschulung in eine Zwergschule mit mehreren Jahrgangsklassen in einem Raum mit einem Lehrer in einem Dorf in Oberhessen sprach der Schulrat davon, dass Landkinder im Gegensatz zu Stadtkindern noch wüssten woher die Milch käme. Er wusste auch davon zu berichten, dass Stadtkinder dächten, braune Kühe seien für die Trinkschokolade zuständig. Das war in den 1960er Jahren – und tatsächlich, das konnten wir auf unserem Schulweg und bei Kameradenbesuchen auf den Höfen sehen, wurden die Kühe vorwiegend mit Gras und mit Heu gefüttert. Auch durften sie auf die Weide, die sich noch mitten im Dorf befand.

Heu als Vorsorge für Herbst und Winter

Wieviel Milch muss eine gute Kuh geben?

Das ist heute anders: die Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Kühe sind extrem gestiegen. Die Kühe schaffen das nicht mehr mit ihrer angestammten natürlichen Ernährung (Gras und Heu). Eine Hochleistungskuh benötigt hochenergetische Nahrung, um den Bauern zufrieden zu stellen und für sein Einkommen zu sorgen. Teilweise geben Kühe bis zu 10.000 kg (oder l) Milch pro Jahr – in einigen Ländern noch mehr. Das ist eine prekäre Leistung, denn wenn irgendetwas schief geht – die Kuh wird krank oder bekommt nicht genügend Spezialfutter, kommt sie in die Krise. Das Futter für diese Leistungsfähigkeit wird meist importiert, etwa aus Argentinien (das heute viel weniger Rindfleisch produziert um dafür in der Pampa Soja für den Weltmarkt anbauen).

Harte Arbeit: das Einbringen des Heus

Weltmarkt oder lokaler Kreislauf

Das Besondere ist, dass selbst die Bergbauern im Obervinschgau sich dem nicht entziehen können. Sogar die mikro Nebenerwerbshöfe, die nur noch zwei oder drei Kühe halten, setzen auf hohe Leistung. Und auch sie sind in den Weltwirtschaftskreislauf eingebunden – auch sie beziehen das Futter, welches in Südamerika produziert wurde. Wen wundert das – genau das ist es, was meist auf den Landwirtschaftsschulen unterrichtet wird.

„Ein Wahnsinn“ wie Alexander Agethle, der Mann hinter der Hofkäserei Engelhorn, im Dörfchen Schleis nicht weit von der Schweizer Grenze anlässlich einer Hofführung erklärt. Als er den Hof von den Eltern übernahm, wurde die hohe Milchleistung der selbst gezüchteten Kühe sogar prämiert. Die 10.000 l Milch pro Kuh waren rekordverdächtig. Natürlich ging auch dadurch die Übernahme des „Musterhofes“ durch den Sohn nicht ohne Reibereien. Die Weltsicht der Eltern wurde in Frage gestellt – und natürlich auch die Frage gestellt, ob die Ideen von Alexander Agethle nicht weltfremd seien.

Im Sommer ist der Stall verwaist, weil die Kühe auf der Hochalm weiden

Ertragsreduktion steigert Qualität

Welche Ideen waren das? Im Vordergrund stand die Überlegung, dass es doch möglich sein müsste, die eigenen Kühe mit dem zu ernähren, was auf dem Hof tatsächlich zu produzieren ist, also vor allem Gras und Heu. Sehr bald war klar: mit den modernen Kühen des Vaters war das nicht zu machen – ihr Bedarf an Futtermitteln war einfach zu hoch. Begegnen, so war die Idee des jetzigen Bauern, kann man dem Turbowahnsinn eigentlich nur, indem die Milchleistung dem vorhandenen Futter angepasst wird. Mit den Superkühen ging das nicht, aber evtl. mit einer der alten Rasse, die schon fast in Vergessenheit geraten ist. Fündig wurde er bei einer alten Braunviehrasse in der Schweiz. Die ursprüngliche Idee ging jedoch nicht auf Anhieb auf. Obwohl diese Kühe nicht viel mehr als die Hälfte der Milch der Turbokühe geben, benötigen sie immer noch ein Getreidezufutter, insbesondere in der Zeit nach der Kalbung. Sie erzeugen also immer noch zu viel Milch, um allein aus den vor Ort vorhandenen Ressourcen ernährt werden zu können. Das ist erst durch eine Art Rückzüchtung über ein paar Generationen möglich. Hieran arbeitet Herr Agethle.

Was der Chef Alexander Agethle erklärt macht Sinn

 

 

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