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Palabirne – Obst das keiner mehr wollte in neuem Glanz (Teil I)

 

Diese Birne ist etwas Besonderes. Wer sich aufmerksam im Obervinschgau bewegt, wird sich darüber wundern. Riesige Birnbäume findet man dort in und um die Ortschaften, Mals, Schluderns und Glurns. Sie überragen die meisten Häuser, werden sie doch bis zu 25m hoch und der älteste dort bekannte Baum hat ein Alter von über 300 Jahren.

 

Süßes Obst

Die Früchte selbst sind extrem süß und sehr vitaminhaltig. Das Aroma hat Noten von Muskat und Zimt. Die Birnen gehörten in früheren Zeiten zum kärglichen Speiseplan der Bergbewohner, denn sie lieferten eine billige Zutat. Wie man es früher auch in Deutschland machte, wurde daraus oft Trockenobst. Noch kurioser aus heutiger Sicht ist, dass das Obst zu Mehl verarbeitet wurde. Es eignet sich, um das Getreide zu strecken. Die Früchte erlangten eine längere Haltbarkeit – und man konnte das Brot mit weniger Getreide backen (heute wird ein ähnliches Brot im Vinschgau auch wieder verkauft, beispielsweise von der Bäckerei Schuster in Laatsch) – allerdings mit getrockneten Birnen.

 

Produkte aus Palabirne

Bäume sind zu groß um mit ihnen umzugehen

Die hochwachsenden Bäume stellen mittlerweile eine echte Herausforderung dar. Sie lassen sich nur mit speziellen Vorrichtungen oder unter Lebensgefahr abernten. Auch überfordert die schiere Masse an Früchten den heutigen Kleinhaushalt. Bedenkt man darüber hinaus den „Schmutz“, den ein solcher Baum produziert: Die herunterfallenden Blüten im Frühjahr und später die nichtgeernteten Birnen, die aufgrund ihrer Süße die gerne stechenden Wespen anlocken, stellen für die Besitzer solcher Bäume ein Problem dar. Auch die herunterfallenden Blätter müssen beseitigt werden. Damit die Bäume keine Gefahr für die Gartennutzer darstellen, ist bei so alten Gewächsen eine Pflege notwendig. Auch dies verursacht Kosten. Die wild in die Höhe geschossenen Bäume stellen einen Kontrast zu den doch sehr einheitlichen heutigen Plantagen dar, die so geschnitten werden, dass sie leicht zu handhaben sind. Das ist bei den Birnen ganz anders – wenn sie auf privaten Grundstücken stehen, sind sie bedroht, zumal die klassische Verwertung heute kaum mehr für Privatleute in Frage kommt.

Binenmehl – altes wiederbelebt

Abheben von der Masse

Die alte Sorte eignet sich weniger zum Frischverkauf – das stand zur Zeit ihrer Pflanzung auch nicht im Vordergrund. Sie ist aber kaum auf dieselbe Weise wie das andere Obst verkäuflich (vornehmlich die Äpfel der Gegend) und praktisch nur von Fachleuten zu ernten. Der Massenanbau von Obst, die teilweise kärglichen Preise und kleinen Flächen, über die etliche der Bauern aufgrund der Realteilung nur verfügen, haben einige Akteure zum Umdenken gebracht. Die Uniformität der Massenware, die wenigen handelsgängigen Sorten beim Kernobst führte zu einem Boom des Obstbaus. Wie das aber immer ist, finden sich auch Nachteile, die manchmal erst später offensichtlich werden. Hierzu gehört auf der ökonomischen Ebene der Preisverfall (bzw. die geringe Preissicherheit); weitere Probleme ergeben sich durch die für den Massenanbau notwendigen Pflanzenschutzmittel und den hohen Wasserverbrauch in einer eigentlich trockenen Gegend.

 

Suche nach Identität führt zur Renaissance der Palabirne

Das ist aber noch nicht alles: Die Uniformität bringt nichts für die Profilierung einer Region. Hierzu sind emblematische Produkte notwendig – solche, die typisch sind, die es nach Möglichkeit nirgendwo sonst gibt auf der Welt. Nachgefragt werden solche Dinge vor allem von den Touristen, die im Urlaub auf der Suche nach Authentischem sind. Die guten Hotels möchten ihren Gästen ebenso etwas Exklusives bieten können – das macht den Aufenthalt in dieser Gegend einmalig. Gleichzeitig steckt in der neuen Wertschätzung für Altes eine Möglichkeit zur Identifikation für die Einheimischen. Diese merken, dass ihre über Generationen (wenn auch mehr zufällig) gehüteten Kulturgüter eine neue Bedeutung gewinnen.

Es gilt also auch hier, was man sehr oft beobachten kann: Ein Trend, wie der des Massenanbaus, der Internationalisierung und der leichten Marktgängigkeit bringt gleichzeitig das Gegenteil hervor: Es entsteht eine neue Bewegung, die anders denkt. Die Protagonisten setzen auf Distinktion. Die eigenen Produkte sollen sich von der Menge wegbewegen. Innovationen sollen dem eigenen Tun ein unverwechselbares Gesicht verleihen.

 

… und hier geht es zum zweiten Teil