Der beste Wein Deutschlands stammt von Steillagen. Diese zu bearbeiten, stellt die größte Mühe dar. Allerdings lohnt der Aufwand – jedenfalls für uns Konsumenten.
Mühen im Steilhang
Die
besten Weinberge Deutschlands sind schwierig zu bewirtschaften. Mosel, Franken,
die bekanntesten Lagen Rheinhessens, der Hessischen Bergstraße, des Rheingaus
und des Mittelrheins sind Steillagen. Von diesen Hängen kommen nicht nur Premiumweine,
sie gehören auch zu den schönsten und interessantesten Kulturlandschaften
hierzulande. Fast alle diese Lagen befinden sich direkt oder in der Nähe zu
einem Fluss und die meisten dieser Gebiete sind gleichzeitig Ferien- oder
Ausflugsziele.
Gäbe es nicht den Wein als hochwertiges landwirtschaftliches Produkt, würden die Hänge nicht bearbeitet. Für das Gedeihen der Reben in unseren Breiten sind solche Hänge nahezu ideal.
Den folgenden Text habe ich 2005 geschrieben und jetzt leicht verändert. Ich erinnerte mich an ihn aufgrund einer Fahrradtour entlang der Mosel, auch wenn hier ein Weinberg und ein Weingut des Mittelrheins behandelt wird. Das Weingut wurde mittlerweile aufgegeben und die Reben an ein anderes Gut weitergegeben.
Schweißtreibender Tourismusmagnet
Während uns Besucher der Anblick der
Rebgärten erfreut, bedeuten diese für die Winzer eine erhebliche Plackerei. Wir
trauen uns kaum solche Hänge ob ihres Gefälles zu bewandern, die Winzer dagegen
müssen hier teilweise schwierige Arbeiten auszuführen.
Auf
jedem Ausflugsschiff auf dem Rhein- oder der Mosel werden die Vorteile der steilen
Lagen in der Nähe des Flusses angesagt: Im Gegensatz zur Flachlage ist jeder
einzelne Weinstock einer höheren Sonnenbestrahlung ausgesetzt und der Boden und
das Gestein erhitzen sich und geben die Wärme über Nacht an die Umgebung ab.
Hinzu kommt, dass der Fluss für ein ausgeglichenes Klima sorgt, sodass die
Temperatur im Winter etwas über der Umgebung liegt.
Ein Blick auf den Hang genügt, um
ermessen zu können, dass das, was die Qualität des Weines befördert, für den
Winzer harte Knochenarbeit bedeutet. Wir vermuten, dass die zahlreichen
brachgefallenen Weingärten damit zusammenhängen. Wer will heute noch eine so
anstrengende körperliche Arbeit auf sich nehmen? Grund genug, einmal
nachzufragen, ob sich in den letzten Jahrzehnten etwas an der Mühsal änderte
und was die Ursachen für die Brachen aus Sicht einer alteingesessenen
Weinbaufamilie sind.
Konzentrationsprozess oder Brache
Wir besuchen eine Winzerfamilie am
Mittelrhein. Das Weingut in einem Ortsteil von Bacharach bewirtschaftet
ausschließlich Steillagen. Die Hänge befinden sich im Steeger Tal, welches
rechtwinklig auf den Rhein mündet und daher ausschließlich über Südlagen
verfügt. Die Weinberge haben ein Gefälle von 50-60 Grad. Sie weisen damit nicht
ganz die Schräge der steilsten Mosellagen auf, auf uns wirkt der Hang jedoch
beeindruckend.
In einem solchen Weindorf am
Mittelrhein waren die meisten Weinbaubetriebe Mischbetriebe, die wegen der
Erbteilung über zu kleine Parzellen verfügten, um wirtschaftlich arbeiten zu
können. Das gilt auch noch heute insbesondere für die zahlreichen Nebenerwerbswinzer,
deren Aufwand sich oft kaum lohnt. Bei einem Generationswechsel finden sich
immer seltener Nachfolger, welche die Tradition weiter führen möchten. Eine
Betriebsaufgabe ist eine Chance für die wenigen Güter mit einer
wirtschaftlichen Größe, die dann die Rebgärten in den besten Lagen übernehmen
können. Hierdurch wird langfristig eine Qualitätssteigerung bei den
verbleibenden Weingütern erreicht.
Die besten Lagen sind in der Mitte
Die Winzerin sagt uns, dass die besten
Lagen sich in dem engen Tal in der Mitte des Hangs befinden: „Dort steht
morgens schon die Sonne drauf. Die Rebstöcke sind nicht vom gegenüberliegenden
Hang beschattet. Das trifft zwar auf die oberen Lagen auch zu, diese sind
jedoch wegen der Höhe am Berg schon wieder etwas kühler.“ Schon geringe
Klimavorteile können für die Produktion von Spitzenweinen entscheidend sein.
Deshalb sieht die Winzerin die Brachen auch als problematisch an: „Die
brachliegenden Weinberge ersticken im Gestrüpp. Das wächst alles sehr schnell.
Es gibt Bestrebungen diese Flächen freizuhalten, denn durch den Bewuchs wird es
etwas kühler und feuchter.“ Wenn der Berg zu sehr bewachsen ist, wird die
Feuchtigkeit gehalten und die Steine erhitzen sich nicht mehr so sehr.
Aus eigener Erfahrung weiß die
erfahrene Weinmacherin, dass die Arbeit am Hang viel aufwändiger ist, denn die
Familie besitzt außer den Steillagen auch noch Flachlagen in Rheinhessen. In
der Flachlage fährt man mit dem Schmalspurschlepper durch, pflügt, schneidet
das Laub maschinell und die einfacheren Weine werden mit dem Vollernter
gelesen. Aber auch das, was im flachen Weinberg Handarbeit erfordert, wie das
Aufbinden und der Rebschnitt dauert im Hang wesentlich länger und bedarf
größerer körperlicher Anstrengungen.
Anstrengend und gefährlich
Seit den 60er Jahren hat sich jedoch
einiges verbessert. Bis zu diesem Zeitpunkt führten bis auf einen einzigen
diagonal zum Hang verlaufenden Wagenweg lediglich Fußwege durch den Weinberg.
Durch die Flurbereinigung, die sich hier Umlegung nennt, wurden nicht nur
Parzellen zu vernünftigen Größen zusammengefasst. Es wurden Rebzeilen anstatt
der Einzelerziehung der Weinstöcke angelegt. Seitdem wirkt der Hang stufig,
denn es gibt zwei parallel zum Hang verlaufende Fahrwege. Hier kann man den
Schlepper abstellen und mit Hilfe der Seilwinde pflügen. Dabei wird der Pflug
mit einem Metallseil gesichert zunächst von einer Person heruntergelassen. Das
anschließende Pflügen den Hang hinauf ist nicht ungefährlich. Es bedarf der
höllischen Aufmerksamkeit des Pflugführers, damit der Pflug nicht ausbricht und
des Windenführers, um den Pflug im Notfall sofort zu stoppen. Die Seilwinde
kommt auch bei der Ernte zum Einsatz. Die abgeschnittenen Trauben werden in
Kästen gelegt und mittels des Motors zum Fahrweg hoch gezogen.
Das Produkt lohnt!
Wir hoffen, dass trotz dieses
erheblichen Aufwandes möglichst viele der Schieferhänge für den Weinbau
erhalten bleiben. Dass sich die viele Arbeit noch immer lohnt, stellen wir bei
der anschließenden Weinprobe fest. Die Weine dieses Weinguts werden im Holzfass
auf eine langsame Reifung und Lagerfähigkeit hin ausgebaut. Und so zeigen sie
erst nach einer gewissen Reife ihr ganzes Potential. Wir waren begeistert von
einer trockenen 1999er Spätlese aus der Lage Steeger St.Jost. Der Winzer erklärt:
„Diesen Wein haben wir ausgebaut wie ein großes Gewächs. Wir dürfen ihn aber
noch nicht so nennen, denn damals existierte die Klassifikation des VDP noch
nicht.“ Es handelt sich um einen filigranen Wein mit einem ganzen Strauß von
Fruchttönen wie Maracuja und Pfirsicharomen. Ich habe damals einige Flaschen
gekauft und es liegt auch noch eine Flasche in unserem Keller.
Update
2019
Als wir kürzlich die vorletzte Flasche
öffneten, wunderten wir uns über den vergleichsweise schwachen Alterungston. Die
Weine haben sich hervorragend gehalten, obwohl es trockene Weine sind und
eigentlich vor allem Süße die Lebensdauer von Weinen zu verlängern vermag.
Der beste Wein oder die „wunderbaren“ Steillagen
Der beste Wein Deutschlands stammt von Steillagen. Diese zu bearbeiten, stellt die größte Mühe dar. Allerdings lohnt der Aufwand – jedenfalls für uns Konsumenten.
Mühen im Steilhang
Die besten Weinberge Deutschlands sind schwierig zu bewirtschaften. Mosel, Franken, die bekanntesten Lagen Rheinhessens, der Hessischen Bergstraße, des Rheingaus und des Mittelrheins sind Steillagen. Von diesen Hängen kommen nicht nur Premiumweine, sie gehören auch zu den schönsten und interessantesten Kulturlandschaften hierzulande. Fast alle diese Lagen befinden sich direkt oder in der Nähe zu einem Fluss und die meisten dieser Gebiete sind gleichzeitig Ferien- oder Ausflugsziele.
Gäbe es nicht den Wein als hochwertiges landwirtschaftliches Produkt, würden die Hänge nicht bearbeitet. Für das Gedeihen der Reben in unseren Breiten sind solche Hänge nahezu ideal.
Den folgenden Text habe ich 2005 geschrieben und jetzt leicht verändert. Ich erinnerte mich an ihn aufgrund einer Fahrradtour entlang der Mosel, auch wenn hier ein Weinberg und ein Weingut des Mittelrheins behandelt wird. Das Weingut wurde mittlerweile aufgegeben und die Reben an ein anderes Gut weitergegeben.
Schweißtreibender Tourismusmagnet
Während uns Besucher der Anblick der Rebgärten erfreut, bedeuten diese für die Winzer eine erhebliche Plackerei. Wir trauen uns kaum solche Hänge ob ihres Gefälles zu bewandern, die Winzer dagegen müssen hier teilweise schwierige Arbeiten auszuführen.
Auf jedem Ausflugsschiff auf dem Rhein- oder der Mosel werden die Vorteile der steilen Lagen in der Nähe des Flusses angesagt: Im Gegensatz zur Flachlage ist jeder einzelne Weinstock einer höheren Sonnenbestrahlung ausgesetzt und der Boden und das Gestein erhitzen sich und geben die Wärme über Nacht an die Umgebung ab. Hinzu kommt, dass der Fluss für ein ausgeglichenes Klima sorgt, sodass die Temperatur im Winter etwas über der Umgebung liegt.
Ein Blick auf den Hang genügt, um ermessen zu können, dass das, was die Qualität des Weines befördert, für den Winzer harte Knochenarbeit bedeutet. Wir vermuten, dass die zahlreichen brachgefallenen Weingärten damit zusammenhängen. Wer will heute noch eine so anstrengende körperliche Arbeit auf sich nehmen? Grund genug, einmal nachzufragen, ob sich in den letzten Jahrzehnten etwas an der Mühsal änderte und was die Ursachen für die Brachen aus Sicht einer alteingesessenen Weinbaufamilie sind.
Konzentrationsprozess oder Brache
Wir besuchen eine Winzerfamilie am Mittelrhein. Das Weingut in einem Ortsteil von Bacharach bewirtschaftet ausschließlich Steillagen. Die Hänge befinden sich im Steeger Tal, welches rechtwinklig auf den Rhein mündet und daher ausschließlich über Südlagen verfügt. Die Weinberge haben ein Gefälle von 50-60 Grad. Sie weisen damit nicht ganz die Schräge der steilsten Mosellagen auf, auf uns wirkt der Hang jedoch beeindruckend.
In einem solchen Weindorf am Mittelrhein waren die meisten Weinbaubetriebe Mischbetriebe, die wegen der Erbteilung über zu kleine Parzellen verfügten, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Das gilt auch noch heute insbesondere für die zahlreichen Nebenerwerbswinzer, deren Aufwand sich oft kaum lohnt. Bei einem Generationswechsel finden sich immer seltener Nachfolger, welche die Tradition weiter führen möchten. Eine Betriebsaufgabe ist eine Chance für die wenigen Güter mit einer wirtschaftlichen Größe, die dann die Rebgärten in den besten Lagen übernehmen können. Hierdurch wird langfristig eine Qualitätssteigerung bei den verbleibenden Weingütern erreicht.
Die besten Lagen sind in der Mitte
Die Winzerin sagt uns, dass die besten Lagen sich in dem engen Tal in der Mitte des Hangs befinden: „Dort steht morgens schon die Sonne drauf. Die Rebstöcke sind nicht vom gegenüberliegenden Hang beschattet. Das trifft zwar auf die oberen Lagen auch zu, diese sind jedoch wegen der Höhe am Berg schon wieder etwas kühler.“ Schon geringe Klimavorteile können für die Produktion von Spitzenweinen entscheidend sein. Deshalb sieht die Winzerin die Brachen auch als problematisch an: „Die brachliegenden Weinberge ersticken im Gestrüpp. Das wächst alles sehr schnell. Es gibt Bestrebungen diese Flächen freizuhalten, denn durch den Bewuchs wird es etwas kühler und feuchter.“ Wenn der Berg zu sehr bewachsen ist, wird die Feuchtigkeit gehalten und die Steine erhitzen sich nicht mehr so sehr.
Aus eigener Erfahrung weiß die erfahrene Weinmacherin, dass die Arbeit am Hang viel aufwändiger ist, denn die Familie besitzt außer den Steillagen auch noch Flachlagen in Rheinhessen. In der Flachlage fährt man mit dem Schmalspurschlepper durch, pflügt, schneidet das Laub maschinell und die einfacheren Weine werden mit dem Vollernter gelesen. Aber auch das, was im flachen Weinberg Handarbeit erfordert, wie das Aufbinden und der Rebschnitt dauert im Hang wesentlich länger und bedarf größerer körperlicher Anstrengungen.
Anstrengend und gefährlich
Seit den 60er Jahren hat sich jedoch einiges verbessert. Bis zu diesem Zeitpunkt führten bis auf einen einzigen diagonal zum Hang verlaufenden Wagenweg lediglich Fußwege durch den Weinberg. Durch die Flurbereinigung, die sich hier Umlegung nennt, wurden nicht nur Parzellen zu vernünftigen Größen zusammengefasst. Es wurden Rebzeilen anstatt der Einzelerziehung der Weinstöcke angelegt. Seitdem wirkt der Hang stufig, denn es gibt zwei parallel zum Hang verlaufende Fahrwege. Hier kann man den Schlepper abstellen und mit Hilfe der Seilwinde pflügen. Dabei wird der Pflug mit einem Metallseil gesichert zunächst von einer Person heruntergelassen. Das anschließende Pflügen den Hang hinauf ist nicht ungefährlich. Es bedarf der höllischen Aufmerksamkeit des Pflugführers, damit der Pflug nicht ausbricht und des Windenführers, um den Pflug im Notfall sofort zu stoppen. Die Seilwinde kommt auch bei der Ernte zum Einsatz. Die abgeschnittenen Trauben werden in Kästen gelegt und mittels des Motors zum Fahrweg hoch gezogen.
Das Produkt lohnt!
Wir hoffen, dass trotz dieses erheblichen Aufwandes möglichst viele der Schieferhänge für den Weinbau erhalten bleiben. Dass sich die viele Arbeit noch immer lohnt, stellen wir bei der anschließenden Weinprobe fest. Die Weine dieses Weinguts werden im Holzfass auf eine langsame Reifung und Lagerfähigkeit hin ausgebaut. Und so zeigen sie erst nach einer gewissen Reife ihr ganzes Potential. Wir waren begeistert von einer trockenen 1999er Spätlese aus der Lage Steeger St.Jost. Der Winzer erklärt: „Diesen Wein haben wir ausgebaut wie ein großes Gewächs. Wir dürfen ihn aber noch nicht so nennen, denn damals existierte die Klassifikation des VDP noch nicht.“ Es handelt sich um einen filigranen Wein mit einem ganzen Strauß von Fruchttönen wie Maracuja und Pfirsicharomen. Ich habe damals einige Flaschen gekauft und es liegt auch noch eine Flasche in unserem Keller.
Update 2019
Als wir kürzlich die vorletzte Flasche öffneten, wunderten wir uns über den vergleichsweise schwachen Alterungston. Die Weine haben sich hervorragend gehalten, obwohl es trockene Weine sind und eigentlich vor allem Süße die Lebensdauer von Weinen zu verlängern vermag.